Alkohol weg von der Supermarktkasse – Gastbeitrag von der Initiative #AlkoholfreieKasse

Als ich (Elli) 2022 nüchtern wurde, gab es schlagartig viele Triggersituationen, denen ich ausgesetzt war. Frisch baby-sober in einen Supermarkt zu gehen war der reinste Albtraum. Man muss so viele Entscheidungen treffen. Außerdem ist Alkohol in den Supermärkten omnipräsent. Mittlerweile reicht das bloße Umgehen der Weinabteilung zum Selbstschutz nicht aus. Man findet je nach Saison Weißwein beim Spargel, Glühwein bei den Süßigkeiten und Federweißer in der Kühlabteilung.

Zwar waren Supermärkte für mich aufgrund meiner früheren Essstörung immer schon herausfordernde Orte, aber der Zick-Zack-Kurs um den Alkohol zwischen allen Lebensmitteln machte die ganze Einkaufssituation für mich noch belastender. 

Meistens legte sich der Stress, wenn ich an der Kasse war und alles, was ich brauchte, auf das Kassenband legen konnte. Doch hier tauchte mit der Nüchternheit ein weiterer Trigger auf: Schnaps an der Kasse.

 Wodka und Korn in kleinen flachen Falschen waren auch zu Trinkzeiten nicht meine Go-to-Getränke, aber jetzt triggerte mich einfach alles, was Prozente enthielt. Am Anfang meiner Nüchternheit fühlte ich mich wie aus Glas. Die kleinste Erschütterung konnte dazu führen, dass ich zerbreche. Und der Anblick dieser Flaschen löste ein mir völlig neues Schamgefühl aus, welches mich ins Wanken brachte. Und da war noch was: Wut und Empörung. Immerhin bin ich nicht die Einzige mit dem Problem.

 Wie provokant ist denn bitte diese Platzierung? Sehr “sorgsam” gewählt, an einem Bereich, an dem jeder Mensch, der einkaufen geht, vorbei muss. Oftmals wartet man in der Schlange lange, hat nichts zu tun, lässt den Blick schweifen. Zeit für (Sucht-) Gedanken... Und dabei denke ich nicht nur an mich, andere Süchtige oder frisch nüchterne Personen. Alkohol wird für alle normalisiert.

Elli von Alkoholfreie Kasse

Viele Studien beweisen es: was wir häufig zu Gesicht bekommen, immer und immer wieder sehen, das wird normal, das wird akzeptiert und das wird sympathisch.

Gut, in Deutschland muss man (vorerst) nicht befürchten, dass der Ruf des Alkohols sich allzu leicht beschmutzen lässt. Aber es geht hier ja auch nicht nur um Erwachsene, die schon lange mit den positiven Leitbildern des Alkoholmarketings sozialisiert sind.

Dieses Sympathisieren mit der Droge passiert automatisch auch mit einer viel vulnerableren Zielgruppe: Kinder. Oftmals ist es unvermeidbar, dass gerade Kleinkinder zum Einkaufen mitgenommen werden. Was prägt sich ein? Flüssiges Gift steht neben Kaugummi, Spielegutscheinen und Süßigkeiten und diese Situation suggeriert: Alkohol ist normal, gehört dazu, etwas, was man sich noch schnell aufs Band packen kann. Kann ja nichts Schlechtes oder Schädliches sein, wenn er neben den Süßigkeiten und Kaugummis steht, frei verfügbar.

Tabak, ja das ist was anderes, der ist verschlossen hinter Glas oder Gittern und öffnet sich nur auf Nachfrage bei den Kassierer*innen.
Aber Alkohol? Der steht da ganz frei, auf Augenhöhe, in Griffweite, wenn die Kids im Einkaufswagen oder auf den Armen ihrer Eltern sitzen.

Alkohol an Supermarktkassen ist ein lukratives Geschäft für die Alkoholindustrie. Und es ist ein trauriges Spiel um Rückfall oder Durchhalten, Kinder- und Jugendschutz und natürlich um Geld.

 Supermärkte machen mit diesen kleinen Verkaufsflächen an der Kasse ganze 5 % ihres Umsatzes! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Diese kleinen Alkoholflaschen tragen einen nicht unerheblichen Anteil daran. Es ist absurd, wie eine Lobby ihre Interessen über das Wohl der Gesellschaft stellt.

Das alles fiel mir auf, als ich so baby-sober durch den Supermarkt ging. Da wurde mir klar: Ich möchte da nicht einfach zuschauen, es ignorieren und mich schweigend weiter ärgern. Ich möchte handeln, Verantwortung übernehmen und aktivistisch tätig werden.

Infolgedessen begann ich, Fotos der Alkoholflaschen an den Kassen zu machen, postete sie auf Instagram und verlinkte den Supermarkt unter dem Hashtag #alkoholfreiekasse.
Und auch wenn meine Reichweite damals nicht sonderlich groß war, wurde Janna von Kater. Sucht. Freiheit. darauf aufmerksam und schrieb mich für eine gemeinsame Podcastfolge an. In dieser Podcastfolge schmiedeten wir beide die Idee zur Aktion #alkoholfreiekasse und begannen direkt mit der Umsetzung.

Janna von Alkoholfreie Kasse (vielleicht kennt ihr sie von Kater Sucht Freiheit)

Wieso aber nur Supermarktkassen? Wieso nicht gleich eine radikale Umstellung auf Alkoholverkauf in separaten Läden?

Wir glauben, dass Deutschland noch nicht so weit ist. Dieses Mittel müsste von einer Bundesregierung umgesetzt werden, die das Thema Drogenschutz und entsprechende Präventivpolitik mit wirklichem Willen auf ihre Agenda setzt und ernsthaft Maßnahmen ergreift. Zudem müsste ein großer gesellschaftlicher Umschwung stattfinden.

Die Weichen dafür sind jedoch seit einigen Jahren gestellt und dieser Umschwung findet statt, Schritt für Schritt. Mit jeder Podcastepisode, jedem Menschen, der über seine Nüchternheit stolz in der Öffentlichkeit spricht, mit jedem NiceDryEvent, jeder LemonadeQueers-Party, jedem RecoveryWalk, jedem Buch, das erscheint, jeder wissenschaftlichen Facharbeit, die korrekt in den Medien zitiert wird und jedem Menschen, der frisch nüchtern wird, findet Veränderung statt. Unsere Bewegung wird größer.

Wir glauben fest daran, dass wir in Deutschland etwas verändern können, gemeinsam.

Deshalb fangen wir mit dem einem kleinen, aber wichtigen Schritt an: alkoholfreie Supermarktkassen.

Kinder müssen ohne die Omnipräsenz von Alkohol aufwachsen können, ohne dass man ihnen erklären muss, dass es auch ohne geht. Nüchternheit sollte Normalität sein. Außerdem sollen sich Süchtige und/oder nüchtern lebende Menschen im Supermarkt sicher fühlen. Supermärkte sind Orte für Lebensmittel, nicht für Drogen. Wir wollen mehr Verantwortung und Sicherheit für ein niedrigeres Rückfallrisiko und Suchtprävention und bitte keinen Walk of Shame mehr an der Supermarktkasse.

 Ihr wollt auch Teil der Veränderung sein?

 Folgt uns auf Instagram @alkoholfreiekasse

 Schickt uns Fotos eurer Supermarktkassen (mit oder ohne Alkohol), den Namen und Ort und wir posten sie mit dem Hashtag #alkoholfreiekasse. Wir zeigen damit positive Beispiele und machen Druck, wo noch zu viel Alkohol angeboten wird.

Unterstützt außerdem gern uns aktiv mit euren Skills im Bereich Social Media, Gesprächen mit Supermärkten und Entscheidungsträger*innen, Backoffice, Recherche, Akquise von Fördermitteln oder im Projektmanagement von innovativen Formaten und Ideen.

Oder spendet, um die Arbeit unserer ehrenamtlichen Gruppe zu unterstützen. Alles geht zu 100 % in anfallende Kosten für Werbemittel, Reichweite, unsere Homepage und Umsetzung von Projekten.

Danke, dass ihr Teil dieser Veränderung seid und bleibt klar im Kopf!

Eure Elli & Janna

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